"Ich möchte leben. Schau, das Leben ist so bunt."

Mit einem Festjahr zum 100. Geburtstag gedenkt die Gemeinde Tiergarten der jüdischen Dichterin Selma Meerbaum. Am 05. Februar 1924 in Czernowitz, der heutigen Ukraine, geboren, starb sie mit nur 18 Jahren im deutschen Zwangsarbeitslager Michailowka in Transnistrien. Sie hinterließ ein Notizheft mit 58 handschriftlich verfassten Gedichten, denen sie den letzten Satz hinzugefügt hatte: 'Ich habe keine Zeit gehabt, zuende zu schreiben.' Der Gedichtband überstand den Krieg auf abenteuerliche Weise und gelangte bis nach Israel, wo er heute in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem aufbewahrt ist. Es sind Gedichte von einer eindrucksvollen literarischen Reife in jungen Jahren, durchwebt von Lebensfreude, Zärtlichkeit und der Sehnsucht nach Liebe, Gedichte aber auch im Angesicht des Schreckens und der Ahnung des nahenden Todes. „Das ist das Schwerste: sich verschenken und wissen, dass man überflüssig ist, sich ganz zu geben und zu denken, dass man wie Rauch ins Nichts verfließt“, schrieb Selma 1941 in ihrem letzten Gedicht Tragik. Heute gehört Selma Meerbaums schmales Werk zur Weltliteratur. 

 

Zusammen mit Paul Celan und Rosa Ausländer bildet sie das literarische Dreiergestirn der Bukowina, diesem Vielvölkerstaat Osteuropas, in dem die jüdische Bevölkerung einst gleichberechtigt mit anderen Ethnien zusammenlebte. Eine versunkene Welt, gewaltsam zermalmt zwischen den Fronten des Zweiten Weltkriegs. 1940 wurde Czernowitz von sowjetischen Truppen besetzt und Tausende jüdischer Bürger:innen nach Sibirien deportiert. Ein Jahr später brachten deutsch-rumänische SS-Truppen die Stadt in ihre Gewalt. Mit den nun einsetzenden Deportationen nach Transnistrien wurde auch Selma mit ihrer Familie ins Zwangsarbeitslager verschleppt, wo sie 1942 entkräftet an Fleckfieber starb.

 


Für die Organisation der Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und Filme des Festjahrs wurde ich von der evangelischen Gemeinde Tiergarten beauftragt. Die Veranstaltungen finden hauptsächlich in dem nach der jungen Dichterin benannten Begegnungszentrum Meerbaumhaus im Hansaviertel statt. In Kooperation mit der "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit" setzt die evangelische Gemeinde damit auch ein Zeichen der Verbundenheit mit ihren jüdischen Mitbürger:innen.

Alle Veranstaltungen des Festjahrs: www.meerbaumhaus.de

 


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